Von Analog zu digital – oder: Ein digitaler schlechter Prozess ist immer noch ein schlechter Prozess.

Tischlerei Dreyer - Robert Dreyer
https://www.tischlerei-dreyer.de

Dass ich Robert Dreyer eines Tages den Familienbetrieb übernehme, war nicht immer abzusehen. Nach dem Abitur 2008 wollte ich studieren; die Option, das Familienunternehmen weiterzuführen, mir jedoch offenlassen. Erst kurz vor Beginn des Studiums kam die Erkenntnis, dass ich für eine mögliche Betriebsübernahme den Beruf des Tischlers erlernen sollte und ein wirtschaftswissenschaftliches Studium allein wohl nicht genüge.

Da man den ersten Schritt am besten vor den zweiten setzt, verschob ich das Studium kurzerhand um die Länge meiner Lehrzeit und begann mit der Ausbildung zum Tischler im eigenen Familienbetrieb. Vom Fenster- bis zum Treppenbau eignete ich mir sehr viel praktisches Wissen an. Im Laufe dieser Jahre fing ich jedoch an, die ersten Abläufe und Prozesse kritischer zu betrachten und zu hinterfragen.

Phase 1 – Die Analyse
Um ehrlich zu sein, war ich sehr fasziniert davon, wie der Betrieb, so wie es war, überhaupt laufen konnte: eine veraltete IT, ein Treppenkonstruktionsprogramm auf Basis von MS Dos, keine Zeiterfassung, keine Nachkalkulation. E-Mails wurden ausgedruckt und abgelegt. Die Prozessstruktur im Büro war ungefähr nach diesem Prinzip aufgebaut:

1. Problem tritt auf
2. Problem wird an den Chefweitergeben
3. Chef wird in seiner Arbeit unterbrochen und muss sich mit dem Problem auseinandersetzen
4. Problem wir vom Chef gelöst oder aufgeschoben (in der Zeit kam nicht selten das nächste Problem auf den Tisch)

Außerdem herrschte vor allem im Büro das blanke Chaos. Berge von Papier stapelten sich überall. Eine der Haupttätigkeiten der Büroangestellten war das Suchen von
Informationen und Auftragsmappen. Wurde die Mappe gefunden, war noch lange nicht klar, ob dort die richtigen und aktuellen Informationen stehen. Zahlreiche Kopien mit
unterschiedlichen handschriftlichen Änderungen sorgten stets für große Unsicherheit und wenig Klarheit. Schnell war klar: Wir müssen etwas tun! Wir waren auf dem Weg, die Digitalisierung komplett zu verschlafen.

Phase 2 – Die Umsetzung
Dass uns die Digitalisierung helfen kann, war mir schnell klar. Die große Frage war jedoch: Wo und wie anfangen? Mit dieser Frage kam ich zur Handwerkskammer. Unter dem Motto: ein digitalisierter schlechter Prozess ist immer noch ein schlechter Prozess, absolvierten wir in Magdeburg einen Prozessworkshop und nahmen an diesen Tag die Prozessstruktur der Tischlerei Dreyer genau unter die Lupe. Seitdem beschäftigen wir uns mit dem Thema Prozesse und arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung. Nachdem die Grundlagen geschaffen waren, kam das Förderprogramm Digital Innovation gerade richtig. In diesem Zuge konnten wir unsere komplette IT-Infrastruktur auf den neusten Stand bringen und riesige Sicherheitslücken schließen. Im Vorfeld definierte Ordnerstrukturen für die Auftragsabwicklung wurden von Anfang an digital umgesetzt. Mit Hilfe von Office 365 werden mittlerweile alle Unterlagen ausschließlich digital abgelegt. Jeder Mitarbeiter hat zu jeder Zeit vollen Zugriff auf die aktuellen und richtigen Informationen. Die Suchzeiten haben sich dank eines guten Datenmanagementsystems auf wenige Sekunden reduziert. Eine Nachkalkulation sämtlicher Aufträge ist mittlerweile innerhalb von Sekunden möglich. Das führte bereits dazu, dass wir unrentable Geschäftsfelder erkennen und ausgliedern konnten. Die gesamte Organisation erfolgt mittlerweile prozessgesteuert und digital. Dadurch sind wir in der Organisation viel schneller geworden und haben gleichzeitig die Fehleranfälligkeit deutlich reduziert. Außerdem ist die gesamte Buchhaltung digitalisiert worden. Das Ausdrucken, Abheften und Verschicken von Belegen und Papierbergen hat nun ein Ende.

Als Handwerksbetrieb und Träger des Umweltsiegels Sachsen-Anhalts ist uns das Thema Nachhaltigkeit besonders wichtig. Durch die Einführung des papierlosen Büros
sparen wir jährlich Druck- und Papierkosten und arbeiten ressourcensparend. Sämtliche Kommunikation mit Kunden und Zulieferer erfolgt mittlerweile digital. Damit leisten wir auch hier einen Beitrag und nehmen direkten Einfluss auf die Entwicklung unserer Gesellschaft.

Phase 3 – Zukunftsaussicht: Wo geht’s hin?
Digitalisierung ist für uns stetiger Prozess zur kontinuierlichen Verbesserung! Gerade in der Corona Pandemie haben auch wir unser Geschäftsmodell kritisch hinterfragt und uns der Frage gestellt: Wie geht es weiter? Aktuell starten wir ein Projekt zur Digitalisierung und Automatisierung unseres Vertriebes zur Neukundengewinnung. Dabei  nehmen wir in unserer Branche eine Vorreiterrolle an. Außerdem sind wir gerade dabei, nach dem Büro nun auch die Fertigung zu digitalisieren. Im Augenblick wird unsere Werkstatt mit Monitoren ausgestattet, auf denen die Mitarbeiter über ein digitales Kanban Board einen kompletten Auftragsüberblick erhalten und wichtige Informationen abrufen können. Das Potenzial ist groß und die Chancen sind da. Wir als Unternehmen werden diese nutzen und uns kontinuierlich weiter verbessern.